EINFACH WAR GESTERN!
Erfahrungsbericht vom CreaSport-Seminar in Visselhövede
Wenn man sich schon im Januar voller Vorfreude für das bisher nördlichste CreaSport-Seminar Anfang Juni bei Hannover angemeldet hat, die 100 Jahre Hovawart-Feier einplant und dazwischen ein paar Tage Wandern im Sauerland, sich kurz vorher das Bein brechen lässt von zwei spielenden Hovi-Rabauken mit Gesamtgewicht von 60 kg, dann kann das Leben trotzdem schön sein (Naja.) und das Seminar lohnenswert (Auf jeden Fall!).
Der Mann führt die Hunde, beide, und ich darf randschlau sein. Das ist einer von vielen neuen Begriffen und Erkenntnissen, die ich am Pfingstwochenende in Visselhövede lerne. „Einfach war gestern“, das war das Motto vom Roots-Seminar. Antje Engel und ihre vierköpfiges Trainerteam setzen noch einen drauf. Notizbuch und Zettel sind mitzubringen, wir sollen mitschreiben bei den Theorieeinheiten. Denn jetzt werden wir unsere eigenen Trainer. Nicht mehr reagieren wie die Geier im Dschungelbuch, wenn der Trainer, fragt, was ansteht: „Weiß nicht‘, schlag du was vor.“
Die bequemen Zeiten sind vorbei, und ich jubele innerlich. Diese endlose Warterei auf den Trainer, das ausdauernde Kaffeetrinken wird ein Ende haben , weil es einen Plan gibt, den ich mitbringe und mit einem anderen Hundeführer trainieren kann, der weiß oder von mir gesagt bekommt, worauf er achten soll. Danach tauschen wir. Währenddessen macht sich der Trainer immer überflüssiger und steht nur bei Fragen zur Verfügung. Das ist der Plan, und er funktioniert bereits am zweiten Seminartag so gut, dass die Trainer manchmal regelrecht bei der Arbeit stören, wenn sie kommen und gute Tipps geben wollen. Vielen Dank, wir kommen klar, die Aufgabe war deutlich genug formuliert. Und trotzdem standen die Trainer jederzeit mit einem genauen Auge zur Verfügung und konnten verbessern oder alternative Ideen mit einbringen, wenn der Knoten nicht platzen wollte.
Überhaupt, die Aufgaben: Da werden die einzelnen Übungen aus den verschiedenen Prüfungsordnungen aufgegliedert. Wir besprechen, ob der Hund in dieser oder jener Situation das Sitz perfekt abliefern wird, ob er zurück fällt auf die Hinterhand oder aber mit dem Popo und genügend Schwung zur fixen Vorhand rutscht. Wie man den Hund dazu bekommt, die Wendung eng zu laufen, welche Vorübung es dem Hund ermöglichen, die Hinterhand in den Fokus zu nehmen und sich zu versammeln. Mit welchem Fuß ich loslaufe, auf welchem meiner Füße stehend ich Kommandos für Sitz-Platz-Steh aus der Bewegung gebe. Wie ich Richtungswechsel für meinen Hund planbar mache statt ihm einfach wegzurennen. Wie ich schnelles Kommen erreiche. Alles ist so zerlegt, dass ich ein Element übe und meinen Hund dann punktgenau bestätigen kann. Wir sind meilenweit, Lichtjahre entfernt vom Üben eines Endergebnisses, und das ist gut so. Ein Junghund will sorgfältig aufgebaut sein, und auch bei manch älterem Hund fehlt es im Detail, da muss nachgearbeitet werden.
Wann mache ich Stimmungstraining zur Motivation, wie gestalte ich Prüfungstraining, trainiere Störungen? Wie zeige ich meinem Hund ein Belohnungsbild, wie nutze ich zur korrekten Bestätigung einen Belohnungsort, wie halte ich die Spannung, wenn ich dem Hund ein tolles Spiel verspreche, bis auch der Richter mit der Bewertung der Leistung fertig ist?
Nie hätte ich gedacht, dass der Hund mit dem Blick in mein Gesicht belohnt werden kann. Es gibt auch gute Gründe, die Gruppenübung im Obedience im Fuß zu absolvieren, aber die muss ich noch mal in meinen Notizen nachlesen. Kleiner Spoiler: Es war nicht, damit der Hund keinen Krach mit den Kollegen anfängt.
Kornelia (ebenfalls beim Seminar anwesend) würde gerne weiter zuhause mit uns üben und fürchtet gleichzeitig, dass wir doch viel weiter seien als sie und ihr hübscher, engagierter Schwarzer. Und das genau ist Quatsch. Die Aufgabe steht, und der Trainingspartner hilft beim punktgenauen Bestätigen, weil ich etwa bei den Vorübungen zur Freifolge nicht zur Seite gucken und gleichzeitig korrekt laufen kann. Dazu muss der menschliche Trainingspartner kein routinierter Hundesportler sein, sondern aufmerksam und fix.
Und welcher Hund läuft in welchem Takt? Wer hat schon eine Metronom-App auf dem Smartphone und stellt sich beim Betreten des Platzes einen Timer? Da ich noch kein Metronom habe, summe ich Melodien mit. Mit einem Tempo von 100 pro Minute zum Takt von „Staying alive“ ist meine Hündin eher langsam im Trab. Schneller geht es mit Pippi Langstrumpf: „Widewidewie und drei macht neune…“. Keine Ahnung, wessen Hund beim French Cancan den Takt halten kann, aber ein 150/min-Beat ist durchaus drin, lernen wir. Nach jeweils fünf bis sieben Minuten gutem und geplanten Training sind alle ausgelutscht, Mensch und Hund brauchen eine Pause, nach 20 Minuten kann eine weitere Einheit folgen, jeweils vorbesprochen und sauber vorbereitet. Und sonst? Ich werde meine Notizen zu den Übungen auf Karteikarten schreiben und Vokabeln lernen, Bewegungsvokabeln.
Ich weiß jetzt, dass die Übungen am Futtermagnet zu viel mehr taugen als den Hund auf der Straße am Intimfeind vorbei zu keksen, dass der geistige Zügel mehr ist als eine lustige Handbewegung, die man nur einmal im Leben beim Spielen mit der Beißwurst im Roots-Seminar braucht. Und dass es möglich ist, konzentriert und leinenlos mit 24 Hunden gleichzeitig auf einem normal großen Hundeplatz zu trainieren und die Hunde gemeinsam zu spielen, will sagen: dass zeitgleich jeder Hundeführer seinen Teampartner mit einem Spiel zu belohnt.
Hundesport und Unterordnung müssen nicht stumpfsinnig sein. Sie können Spaß machen und kreativ sein. Das Seminar hat auch meinem Mann Handwerkszeug und Ideen für die Ausbildung seiner einjährigen Hündin, unserer kleinen Annikki an die Hand gegeben. Er strebt jetzt die Begleithundeprüfung an, erst einmal.
Anja