NL_01_2021 vom Hundebesitzer zum Hundetrainer
Vom Hundebesitzer zum Hundetrainer
Am Anfang war der Leidensdruck. Wir, Margit und Bernd Seyberth, waren mit unserem Hovawart-Rüden schlicht überfordert. Das änderte sich schlagartig, als wir unser erstes Seminar bei Antje Engel und ihren Co-Trainerinnen besucht haben. Schnell war klar: Diese Art mit dem Hund umzugehen ist unsere Welt. So dauerte es gar nicht allzu lange, bis wir mit unserer ersten Trainerausbildung begannen.
Der erste Schritt dabei war die Ausbildung bei Prof. Lind zum LindArt-Trainer. Kurz darauf wurde CreaCanis gegründet und wir erhielten das Angebot eine weitere Ausbildung zu machen und CreaCanis-Trainer zu werden.
Aller Anfang ist „Abschauen“
Bei CreaCanis lernten wir unser Handwerk von Grund auf. Hatte ich ursprünglich gedacht, schon etwas über Hunde zu wissen, bekam nun alles ein wissenschaftlich fundiertes Fundament. Neben den externen Dozent/-innen waren es vor allem die beiden Seminarleiterinnen, die uns viel Gelegenheit gaben, uns etwas abzuschauen. Dieses „Abschauen“ geschah vor allem in Form von CreaCanis-Seminaren, an denen wir anfangs nur zur Fortbildung als „Trainer-Lehrling“ assistierten. Gepflegte 15.000 km haben wir zu diesem Zweck mit unserem Wohnmobil (allein während der Zeit der Trainerausbildung) zurückgelegt.
Dann war es geschafft, die Trainer-Prüfung bei CreaCanis war bestanden, wir wurden lizensierte Trainer. Und nun?
Auf dem Weg vom lizensierten Trainer zum zugelassenen Hundetrainer…
Aus rein wirtschaftlichen Gründen lag es nahe, ein Gewerbe anzumelden, um die durch die Trainerausbildung aufgelaufenen Kosten steuerlich geltend machen zu können. Aber nein! So einfach geht das nicht. Schnell wurde uns klar, dass es zwar steuerlich möglich war, das Gewerbe anzumelden, es würde aber ein Papiertiger bleiben, bis wir die Erlaubnis zum Hundetrainer durch das Veterinäramt gemäß Sachkundenachweis §11 Tierschutzgesetz hatten.
Der diesbezügliche Antrag umfasste nur 32 Seiten und war auch „nur“ neun Monate beim Veterinäramt in Bearbeitung. Wie gut die Ausbildung bei CreaCanis war, zeigte sich darin, dass uns die theoretische Prüfung erlassen wurde und wir nur eine mündliche und anschließend eine praktische Prüfung ablegen mussten. Geschafft, wir waren zugelassene Hundetrainer!
…bis hin zur eigenen Hundeschule!
Das gab uns nun die Möglichkeit, neben den CreaCanis-Seminaren selbst in Kursen oder Einzelstunden unser erworbenes Wissen weiterzugeben. Aber wie erfährt denn nun die Welt davon, dass es da im Kemptener Raum eine neue Hundeschule gibt?
Klar, eine Homepage musste her. Gesagt, getan. Kurz darauf folgte auch eine Facebook-Seite.
Das klingt zwar alles sehr geschmeidig, aber es gab auch Rückschläge. Wir hatten mit unserem früheren Hundeverein vereinbart, dass wir uns für die Kurse auf dem Platz einmieten. Der Kurs war voll, den Platz bekamen wir nicht. Aber es sollte wohl so sein, denn wir fanden ein Grundstück nur 100 m (!) von unserem Haus entfernt, das wir als Hundeplatz mieten konnten. Wieder ein wichtiger Schritt!
Vernetzung – der Weg zum Erfolg
Unsere Tierärztin wollte uns mit ihrer Hündin einmal besuchen. Sie war danach so begeistert, dass sie inzwischen das gesamte CreaCanis-Programm durchlaufen hat. Wir freuen uns, dass sie uns nun all die Menschen schickt, die in ihrer Praxis von Problemen mit dem Hund erzählen. Toll war auch, dass wir die Möglichkeit erhielten, die erzieherische Ausbildung einer Reihe von Hunden zu unterstützen, die auf die Eignungsprüfung in einer Allgäuer Rettungshundestaffel trainierten.
„Schau mal, der Labby läuft aber nicht ganz rund.“ Als Margit dies zu mir sagte, waren wir froh, dass eine Hunde-Physiotherapeutin mit Osteopathie-Ausbildung Teil unseres Netzwerkes ist und wir so auch schnell Hilfe vermitteln konnten. Ergänzt wird unser Netz noch durch eine Tiertherapeutin und Tierkommunikatorin und natürlich durch alle CreaCanis-TrainerInnen.
Und wenn man denkt, es läuft alles prima, dann kommt Covid-19.
Wie geht es weiter für Hundetrainer während Covid-19?
Natürlich hat auch uns die Schließung der Hundeschulen betroffen. Das Schlimme an dieser Schließung ist die Hilflosigkeit. Die Hundebesitzer brauchen dringend Unterstützung und man darf nicht helfen.
Hier gab es allerdings eine Ausnahme. Vor dem ersten Lockdown hatten wir zwei Einzelstunden mit einem Rauhaardackel. Bello (Name geändert, aber der Redaktion bekannt) hat seinem Herrchen einerseits das Leben gerettet und andererseits gebissen. Wie passt das zusammen? Herrchen hatte zuhause einen Herzinfarkt und Bello hat so laut nach Frauchen gerufen, dass dieses reanimieren konnte. Doof nur, dass Bello das Reanimieren nicht verstanden hat und dabei beide Personen gebissen hat. Doof auch, dass er nach diesem Vorfall nicht mehr aus diesem „Schnapp-Muster“ herauskam. Wir erhielten eine Ausnahmegenehmigung vom Amt und durften helfen. Nach dem Lockdown griffen wir dann ganz tief in die Trickkiste und ließen unsere Trainerkollegin Dr. Aliki Busse in ihrer Eigenschaft als „Kompetenztrainerin schwieriger Hund“ eine Abklärung vornehmen.
Bello zeigte sich im Rahmen der Abklärung als „harter Hund“. Er war an sich ein netter, hatte aber gelernt, seinen Willen auch mit den Zähnen durchzusetzen. Dies tat er vor allem gegenüber der Tochter des Hauses. Als sich die Besitzer nach weiteren Attacken entschlossen, nach einem geeigneten Platz für Bello zu suchen, warfen wir unser Beziehungsnetz aus. Wieder war es Aliki, die uns eine Türe öffnete und so konnten wir Bello an eine geeignete Stelle in Mitteldeutschland vermitteln.
Sogar das Fernsehen wird aufmerksam
„Werden wir die neuen Rütters?“, fragten wir uns im Sommer vergangenen Jahres. Das Fernsehen hatte sich angekündigt und kurz darauf strahlte Allgäu.tv einen netten Bericht über uns und unsere Arbeit als Hundetrainer aus. Schon vier Wochen später lief die Kamera dann wieder bei uns, als uns das Team als Fachleute um eine Stellungnahme zur Änderung der Tierschutzverordnung bat. So waren wir in kurzer Zeit dreimal im Fernsehen zu bewundern.
Man erlebt Tolles als Hundetrainer. Leider muss man aber auch manchmal den Kopf schütteln. Kurz vor Lockdown Nummer 2 erhielt ich den Anruf einer potenziellen Kundin. Sie erwarte in Kürze einen Hund aus dem Tierschutz, einen „Bulgarian Shepard“. Sie erzählte noch, dass sich ihre beiden kleinen Kinder schon so freuten und wir vereinbarten, dass sie sich melden würde, sobald der Hund angekommen wäre. Manchmal denke ich offensichtlich etwas langsam. Ein „Bulgarian Shepard“, so eine Art Border-Collie, meinte sie am Telefon. Nachdem der Groschen bei mir fiel, war klar, der „Bulgarian Shepard“ musste ein Karakachan sein, ein Herdenschutzhund und kein Hütehund. Dem Tierschutz war es wohl egal, dass nun bald ein Herdenschutzhund mit unbekanntem Hintergrund in einer Familie mit kleinen Kindern leben würde. Die nette Dame am Telefon reagierte auf meinen Rückruf erst etwas erschrocken, entschloss sich aber, den Hund zu sich zu nehmen.
Und dann kam der zweite Lockdown und wir harren der Dinge, die da kommen werden. Wir sind dabei nicht tatenlos, denn während ich diese Zeilen schreibe, warte ich wieder auf das Team von Allgäu.tv. Diesmal wird es einen Bericht darüber geben, wie dringend Hundeschulen wieder geöffnet werden müssen.
Teil eines größeren Ganzen
Zum Abschluss vielleicht noch ein Gedanke. Eine Kundin fragte uns vor einiger Zeit, was denn an unserer Hundeschule anders sei als in anderen Hundeschulen. Die Antwort war schnell gefunden. Wir sind keine Einzelkämpfer. Wir sind Teil eines größeren Ganzen. CreaCanis gab uns eine vernünftige Ausbildung, bietet uns die Möglichkeit uns fortzubilden und hat für alle Sparten des Hundelebens Fachleute, ob Erziehung, Sport oder Assistenzhunde. Durch unsere eigenen Kurse und die Teilnahme an überregionalen Seminaren, für die wir als CreaCanis-Trainer gebucht werden, sehen wir pro Jahr eine gut dreistellige Anzahl von Mensch-Hund-Teams, mit denen wir arbeiten dürfen und von denen wir immer wieder aufs Neue lernen dürfen.
So ist für uns der Hundetrainer nicht nur ein Beruf, sondern vor allem eine Berufung geworden.
Bernd Seyberth