Von Gehhilfen-Experimenten und Zweipfotenantrieb
Seit über 14 Jahren begleitet uns nun unser Herzenshund Unix. Sie war immer an meiner/unserer Seite und wir haben viele tolle, spannende, angsterfüllende, schmerzliche, liebevolle, sportliche, kuschelige, bewegende, langweilige und glückliche Momente erlebt.
Sie war immer eine zu Mensch und Tier – ok, Katzen und Eichhörnchen waren nicht wirklich sicher – freundliche Hundedame und hat viele Freunde, selbst bei den Menschen, die eigentlich Angst vor Hunden haben. Fräulein Sanftmut und doch – wenn Sie etwas wirklich will – stur wie ein Maulesel.
Keine Angst. Unserem Unix geht es gut, das ist kein „in Memoriam“ Artikel. Aber es wird im Alter beschwerlich(er). Besuche bei der Physio, der Osteopathie und natürlich Unterwasserlaufband sind mittlerweile wöchentliche Fixtermine.
Mit 11 Jahren haben wir Sie am Kehlkopf operieren lassen müssen – ich werde nie den Ausdruck ihrer Augen vergessen, als sie wach wurde und – endlich – wieder frei atmen konnte. Einzigartig! Sie hat so viel Lebensqualität zurückbekommen – und sie kann bis heute gut atmen.
Nun und langsam kamen dann die Beine dazu… Ab ihrem 12. Lebensjahr gabs kein Fahrradfahren mehr. Sie wurde hinten zu schwach und schleifte zusehends mit den Zehen.
Von da an begannen wir regelmäßig in Sachen Hilfsmittel aufzurüsten…
Erste Hilfe: Künstliche Krallen und Expander

Von Tag zu Tag wurde das Schleifen mit den Hinterpfoten schlimmer und die Krallen wurden bis zur Pulpa aufgewetzt. Was tun? Künstliche Krallen? Was beim Menschen geht – warum nicht beim Hund? Tante Google wurde befragt und ich wurde fündig. Es sind Holraumhülsen aus Kunststoff, die wie Krallen gebogen sind. Sie werden über den Rest der natürlichen Krallen geschoben und verklebt.
Die neuen Krallen funktionierten richtig gut und wir kamen damit ca. 5 Monate gut zurecht. Zwar mussten wir sie immer wieder erneuern, sie halfen aber sehr und schützten das Kralleninnere und die Nerven.
Als das Schleifen immer stärker wurde, erinnerten wir uns an die Expander, die wir zum Training der Hinterhandmuskulatur vor 2 Jahren schon einmal in Gebrauch hatten.
Diese werden mit einer Manschette unterhalb des hinteren Sprunggelenks befestigt und am Geschirr oben eingehakt. Damit erhält der Hund ein wenig Hebehilfe, während die Muskeln beim Absetzen des jeweiligen Fußes trainiert werden. Es hilft hierbei zwar die Schwerkraft, aber dennoch ist es für die Hunde anfangs sehr anstrengend und muss langsam aufgebaut werden. (max. 20 Minuten zu Beginn)
Nie mehr ab ins Wasser?
Mit 13 kam plötzlich die Angst vor dem Schwimmen – eigentlich eine Leidenschaft von Unix, das in der Regel mit einem großen Platscher begann. Nur noch Wasser bis zum Bauch und solange sie stehen konnte. Es brach mir das Herz. Da stand unser wunderbares Mädel und wollte so gern das Stocki aus dem Wasser holen und hat sich nicht mehr getraut, da sie ihren Beinen und dem eigenen Auftrieb nicht mehr traute.
Wer mich kennt, weiß, dass ich sehr lösungsorientiert bin. Also haben wir noch am selben Tag eine Schwimmweste besorgt und am nächsten Abend gingen wir wieder zum See und ich war ausgerüstet mit Badesachen, Schwimmschuhen etc., um ihr zu helfen mit der Schwimmweste klar zu kommen. Und was macht das Mädel? – geht ins Wasser, stellt fest, dass sie sich wieder trägt und paddelt los. Mein Herz machte einen Satz und ich konnte sogar 2, 3 mal das Stöckchen werfen, das sie dann stolz wieder herausgeholt hat. Mit Schwimmweste im schicken Hellblau schwimmt sie wieder – bis heute! mit viel Spaß!

Ein Rolli muss her!
Anfang 2022 – kurz vor ihrem 14. Geburtstag wurde sie hinten immer wackliger, schleifte mehr und mehr mit den hinteren Zehen, die künstlichen Krallen halfen schon lange nicht mehr. Sie stand immer öfter überkötet und begann sich die Pfoten aufzureißen. Vermutlich leidet sie unter dem Cauda Equina Syndrom. Für eine endgültige Diagnose müssten wir sie narkotisieren. Aber wozu? Wir würden sie mit fast 14 ohnehin nicht mehr operieren lassen.

Die Suche ging weiter, um ihr zu helfen. Ein Rollwagen musste her! Die erste Sorge, dass die Anfertigung lange dauern und alles Unsummen verschlingen würde, war Gott sei Dank unbegründet. Ganz in unserer Nähe gibt es einen Orthopädiebedarf für Tiere und dieser hat tatsächlich Rollwagen von der Stange und verschiedenen Größen. Blau ist schon die Schwimmweste, wir blieben bei der Farbe. Die Sorge, dass Unix den Rolli nicht annehmen würde, war unbegründet. Wie ein geduldiges Pony ließ sie sich „anschirren“ und stellte wieder fest – ebenso wie bei der Schwimmweste – sie kann damit besser laufen und ist selbständiger. Die Augen leuchteten wieder und sie fordert ihn nun regelrecht ein. (Morgens muss sie die ersten 200 m für Pippi/Kacka noch ohne Rolli laufen… wobei beides auch mit geht, um etwas zu trainieren.)
Mit dem Rolli donnert sie ohne Rücksicht auf Verluste nun wieder über die Wiesen, dem Frisbee hinterher und arbeitet sogar mit wachsender Begeisterung auf dem Hundeplatz – wobei ich beim Fußgehen auf der Wagenseite kleinere schnelle Schritte machen muss, weil sie mir sonst in die Hacken fährt… Dass sie dabei auch Schuhe, Ballon oder ähnliches anhat, um zu verhindern, dass sie sich die Pfoten aufreißt ist selbstverständlich.

Sogar das Mantrailing klappt wieder super, wenn auch die VP auf ihre Zehen aufpassen müssen und ich zusehen, dass sie einigermaßen unbeschadet um die Ecken biegt, weil sie das noch immer so eng macht, dass sie regelmäßig mit dem einen Rad hängen bleibt.

Die Expander halfen ihr noch eine ganze Weile gemeinsam mit dem Rolli, der sie seitlich gut stabilisiert, aber das stärker werdende Schleifen der Zehen wurde damit nicht behoben. Es wurde schlimmer und beim ersten Blutstropfen war klar, wir müssen etwas tun, um ihr hier Erleichterung zu verschaffen.
Vorab: Wir haben so ziemlich alles an Schuhwerk ausprobiert, was es auf dem Markt gibt… Mit Grip, ohne Grip, wasserdicht, Neopren, Stoff, und und und…
Expander Experimente
Wir fanden ein Hilfsmittel, das Expander und Schuhe verband: Beim Heben der Hinterläufe wird nicht an den Fesseln angesetzt, sondern an den Zehen und dadurch werden diese direkt hochzogen. Gute Idee, dachten wir und probierten das auch gleich aus. Leider müssen die Schuhe recht eng sitzen und dadurch hat der Hund nicht mehr die Möglichkeit sauber aufzutreten. Unsere Physios waren daher nicht so sehr begeistert, zumindest noch nicht, solange sie noch recht gut selbst läuft und „nur“ mit den Zehen schleift.
Hm… und jetzt??? Die Physios empfahlen weiter Ballons, die es dem Hund ermöglichen voll die Pfote zu spreizen. Sie bieten aber nur einen einfachen Schutz, können nicht verhindern, dass sie sich an den Zehenknöcheln aufschubbert. Also haben wir sie erstmal dick (oben an den Zehengelenken) mit Watte gepolstert, darüber einen Stoffschuh gezogen, darüber die Ballons und dann die Expander an die Fesseln. Das war zwar ziemlich aufwändig, hat aber gut funktioniert – für ein paar Wochen…

Das Schleifen wurde leider noch schlimmer. Ich googelte also weiter – und wurde fündig: Eine „Bandage zur propriozeptiven Korrektur“ mußte her. Hier wird eine Bandage oberhalb und unterhalb des Sprunggelenks befestigt und eine gummiartige Schlaufe wird dann von oben um die Zehen gelegt, wodurch diese direkt hochgezogen werden.
Funktionierte super, allerdings musste alles so straff sitzen, dass es ihr zwischen den Zehen unangenehm war. Wir nahmen daher die Idee deutscher Urlauber auf: Flipp Flops mit Socken und zogen schlicht die Ballons drunter und damit zwischen die Zehen.
Dazu dann noch die Expander, um das Anheben zu unterstützen und fertig wars… Uff – ehrlich? Bis Unix angezogen war, dauerte es leicht mal 20 Minuten.

Das Konstrukt blieb jedoch nicht lange… Durch das heftige Schleifen der Zehen – trotz der Hilfe – hatte sie schnell den recht dünnen Ballon durchgewetzt und riss sich wieder die Pfoten auf. Es war einfach klar, dass wir irgendetwas brauchen, dass widerstandsfähige Kappen vorne hat, dennoch den Hund nicht zu sehr behindert und gleichzeitig die Zehen nach oben zieht, um das Schleifen wenigstens ansatzweise auszugleichen und wir kamen wieder zu den festen Schuhen mit Hochziehhilfe und Expander zurück, die wir ja schon besorgt hatten.
Leider waren die Seitenstrapse für Unix jedoch zu kurz und es war anfangs sehr mühsam die Schuhe überhaupt anzuziehen. Darüber hinaus lösten sich die Klettverschlüsse durch das enge Gehen und aneinander reiben der Füße.
Die Lösung: weniger ist mehr
Nach und nach rüsteten wir ein wenig ab, verzichteten auf den Expander und dann auf die seitlichen Strapse und befestigen jetzt einfach die Klettverschlüsse noch mit Panzerband.
Und so wackeln wir unsere Runden: Schuhe mit Zehenhebern anziehen, Geschirr dran, Rolli festmachen und damit können wir locker noch 45 Minuten ein wunderbares Gassi gehen und sogar noch den Frisbee fangen. Übrigens allein mit den Schuhen und ohne Rolli geht es sogar noch 100 – 200 m. Etwas wackelig, aber ohne Schleifen.
Ende gut, alles gut
Wir haben aufgerüstet, wirklich, aber Unix hat Lebensenergie und Freude – und das ist das Wichtigste!
Über kurz oder lang wird sie vermutlich die Hinterläufe gar nicht mehr bewegen können – dann binden wir sie hoch und ich bin sicher, auch mit Zweipfotenantrieb wird sie ihrem Frisbee noch hinterherrennen.
Wir sind unendlich glücklich, dass es mittlerweile so viele Hilfsmittel gibt und wir ihr damit Lebensqualität geben können. Unser Herzenshund macht – auch mit ihren Einschränkungen – noch so viel Freude und wenn wir in ihr lachendes Gesicht sehen, dann ist dies jede Mühe wert!
