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Der muss nur gut erzogen werden…

Ich liebe Hunde – insbesondere Hovawarte, und die nehmen einen großen Platz in meinem Leben ein. Ich finde, sie sind eine unglaubliche Bereicherung: Sozialkleber, Spielpartner, Trostgeber, Fitness- und Sportpartner, Aufpasser und, und, und …

Um diesen vielfältigen Ansprüchen in einer immer engeren, kritischen und leider auch feindlicher werdenden Umwelt gerecht zu werden, ist ein großes Maß an sozialer Kompetenz und Erziehung erforderlich.

Und da stellt sich mir die Frage:

Ist es denn so schwer seinem Hund Manieren beizubringen?

Um schlussendlich einen Hund zu haben, der anständig an der Leine geht, der andere Leute nicht anspringt – es sei denn, sie wollen es unbedingt. Der keine anderen Hunde frisst und schlicht ein netter Sozialpartner ist, der mit mir durchs Leben geht.

Und warum traut sich ein Hund nicht an seinem hündischen Rudelpartner vorbei, hat aber keine Probleme, über seine Menschen drüber zu trampeln?

Wenn ich meine Umgebung und die vielen Abgabefälle ansehe – meist männliche und mitten in der Pubertät steckende Hovawarte – scheint das ein kaum zu erreichender Wunschtraum zu sein. Aber warum? Das Netz ist doch voll von Hundetrainern mit wohlmeinenden Trainingsansätzen und auch die analoge Buchwelt spart nicht an Erziehungsratgebern. Dennoch haben wir gefühlt mehr unerzogenere Hunde als jemals zuvor. Mehr Beißvorfälle, Leinenrambos und Hunde, die einfach mal nächte-, wenn nicht gar tagelang verschwunden sind.

Klar, wer sich einen Hovawart ins Haus holt, bekommt in der Regel einen wachsamen und territorialen Weggefährten. Genetisch festgelegte Eigenschaften, die einen Hovawart ja auch auszeichnen, können nur gemanagt und in Bahnen gelenkt, aber keinesfalls wegtrainiert werden. Management betreiben heißt, z.B. einen Zaun um das bisher offene Grundstück zu ziehen, ggf. blickdicht. Möglicherweise ist dies die erste Lektion, die ein Hovibesitzer lernt – idealerweise aber wurde schon Vorsorge getroffen.

Unsere Hovawarte sind sehr hartnäckig im Verfolgen ihrer Ziele, und kaum einer meiner anderen Hunde hat je so viel nachgefragt. Dabei sind sie sehr wohl bereit Führung zu akzeptieren.

Anfang 2023 zog bei uns nach langer Zeit des reinen Mädelshaushalts ein kleiner Hovirüde ein. Es lange gedauert, mich gedanklich von einem „Mädel“ zu verabschieden und die Challenge (für mich!), einen Rüden zu erziehen und auszubilden, anzunehmen. Hatte ich im Training doch schon zu viele Jungrüden erlebt – nicht nur Hovis – die völlig außer Rand und Band waren, von ihren Besitzern nicht oder nur schwer gehandelt werden konnten, und – kaum war eine Hündin auf dem Platz – das Hirn am Tor abgaben.

Gleichzeitig war mein Ehrgeiz geweckt und ich wollte zeigen, dass es auch mit einem Hovirüden geht, dass die Pubertät gut überstanden werden kann, und dass mit viel Liebe, aber gleichzeitig strikter Konsequenz im Umsetzen MEINER Regeln, aus dem kleinen Pummelpo ein freundlicher, sozial angepasster und dennoch lebenslustiger Jungrüde werden kann. Mit nicht wenig Stolz kann ich sagen: Es hat überwiegend geklappt und wir sind auf einem richtig guten Weg!

Diesen Weg möchte ich Euch beschreiben und erklären:

Ein Rat, den ich wirklich jedem geben kann, lautet: Hört auf Euren Bauch, lasst Euch Zeit und macht alles mit Ruhe. Und verlangt nur das, was bei Nichtbefolgen auch sanktioniert werden kann (Vermutlich wird z. B. der Rückruf während eines wilden Spiels mit Hundekumpeln nicht funktionieren. Entweder unterlasst das Rufen oder geht hin und holt Euren Hund ab – aber macht Euren Rückruf nicht kaputt! Ausführungen, keine Versuche!!

Alle, die Kinder haben, die gefordert und gefördert, denen aber auch Grenzen gesetzt und Konsequenzen aufgezeigt wurden, wissen doch, wie es geht. Warum wird plötzlich bei einem Fellkind alles nur geklickert oder ignorierend abgewartet, anstatt ihm genau zu sagen, was man mag, was erlaubt ist und was nicht? – Diese Rückmeldung in der Situation hilft Verhalten des Hundes, in nicht bereits gefestigter Form, umzulenken oder Alternativverhalten anzutrainieren.

Es genügen deutliche Signale, wie zum Beispiel den Hund einfach nur mal festzuhalten. Ich persönlich werde sehr gern „körperlich“. Das Halten hat sich bei uns etabliert, um zum einen eine Grenze und ein Stopp zu setzen, zum anderen dem Hund Halt zu geben, um Situationen gemeinsam zu bewältigen. Halsband und Leine sind da nur Sicherheit. Ich fasse meine Hunde an!

Die Lernbedeutung von Erziehung ist: Jemandes Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern.

Geist und Charakter bildet sich durch gute und schlechte Erfahrungen. Erfahrungen sorgen dafür, dass der Hund seine Impulse kontrolliert und Frustration aushalten kann, er sich in ein soziales Gefüge einfindet und sich dort auch entfalten kann. Diese Erfahrungen soll / darf er mit uns machen und verarbeiten. Mit viel Zeit, aber auch mit einer gehörigen Portion Kontrolle unsererseits.

Allein positive Belohnung hat, entgegen häufigen Behauptungen, noch nie wirklich und dauerhaft funktioniert. Hunde, wie alle anderen Lebewesen, lernen auch durch negative Erfahrungen – anschließend wird das, was diese ausgelöst hat, vermieden.

Ich bestätige sehr gern positiv und belohne entweder mit Leckerchen, einem Spiel oder ggf. auch nur mit Stimme. Warum auch nicht? Macht mein Hund etwas, was ich gut finde, gibt es einen Keks oder eine ehrliche soziale Anerkennung oder beides. Schleppt der Kleine einen Riesenbaumstamm durch die Gegend, gibt es dafür natürlich keinen Keks, aber ich feuere ihn an und erfreue mich an seiner Ausdauer und dem Ehrgeiz.

Ich dulde es aber nicht, wenn mein Hund ungefragt in Leute und andere Hunde oder gar mich hinein brettert. Respekt und Rücksicht sind keine Einbahnstraße. Gerade unsere Hovawarte – groß und körperlich – müssen lernen ihre „Masse“ und Kraft einzusetzen. Auch ein Hovawart kann lernen höflich anzufragen, sich anzunähern und angepasst zu spielen.

Zeit, Ruhe und Körperlichkeit

Tatsächlich sind meine wichtigsten Hilfsmittel immer Zeit, Ruhe und Körperlichkeit. Dem Hund die Möglichkeit geben neue Situationen nicht nur kennenzulernen, sondern auch zu verarbeiten. Das gilt für den erwachsenen Hund, aber umso mehr beim Welpen.

Als der Kleine also bei uns einzog hatte ich schon gewisse Vorstellungen, wie was laufen sollte und was er zwingend lernen musste. Bei uns gehören dazu: fremde Hunde im Haus, Pferde, Kühe, Schafe, Jogger, Radler, aber auch andere Hunde auf dem Spaziergang in Ruhe lassen und ignorieren, U- und S-Bahn fahren etc. Ganz wichtig war darüber hinaus: Nicht an der Leine ziehen und zuverlässig auf Rückruf zurückkommen und bleiben, wohin ich ihn setze. Dies alles war und ist für mich Pflicht, alles darüber hinaus ist Kür.

Zu seinem und meinem Glück hatte er schon einige Vorgänger und ich wusste, manche Dinge muss man gar nicht üben oder zu viel Energie darauf verschwenden, sie gehen von alleine weg – z.B. alles von der Straße aufzuheben (tatsächlich lassen Welpen in aller Regel alles fallen, was wir nicht interessant machen, weil wir es ihm unbedingt wegnehmen möchten). Ich bin daher mit einer großen Portion Gelassenheit an die „Erziehung“ gegangen und habe ihn viel einfach auch Hund sein lassen, wo und wann immer es ging.

Ich habe ihm in den ersten Wochen, in kleinsten Happen, alles präsentiert. Wir haben uns Zeit genommen, ich musste, wenn wir wieder etwas gemeinsam entdeckt haben, nicht zu einem Termin, und so konnten wir zusammen auch die für den Kleinen gruseligen Kälber kennenlernen. Er konnte sich alles in Ruhe ansehen, ich war neben ihm, gab ihm Sicherheit durch Körperkontakt und wenn er fertig war mit Schauen, sind wir weiter gegangen. Er kann und konnte sich auf mich verlassen – es passiert ihm mit mir nichts.

Wir waren dort, wo fremde Hunde frei laufen durften und er konnte schauen, nicht hinrennen. Ich habe ihn festgehalten, nicht am Halsband oder Geschirr, sondern an der Brust und gemeinsam beobachteten wir andere Hunde. Er lernte, nicht jeder Hund ist zum Spielen da, sondern die meisten Hunde wollen ignoriert werden und – ich selbst schicke fremde Hunde ggf. mal weg. Darum braucht er sich also auch nicht zu kümmern.

Wenn er mich angesprungen hat, habe ich ihn an die Seite gestellt und er durfte wieder gehen, wenn er sich beruhigt hatte. KONSEQUENT!

Leine, Rückruf, Bleiben

JEDES Ziehen an Leine mit Halsband habe ich unterbunden und ihn konsequent mit meinen Händen an seiner Brust wieder an die Position geschoben an der er an der Leine/Halsband gehen sollte. Wenn ich keine Zeit dafür hatte, ging er am Geschirr.

Rückruf wurde mega belohnt und ich freue mich immer wie Bolle, wenn er schnell zurückkommt und zurückkam. Wenn er zu lange überlegt oder mich gar ignoriert, hole ich ihn mir– nicht mehr sehr freundlich – und bringe ihn da hin, von wo ich ihn gerufen hatte. Auch dies hartnäckig. Ungehorsam wurde und wird nicht geduldet. Konnte ich ihn beim ersten Mal nicht erwischen, hatte er beim nächsten Mal eine Schleppleine dran, an der ich mich zu ihm arbeiten konnte; denn einen zweiten Erfolg wollte ich ihm nicht gönnen.

Es war erstaunlich. Vor allem das Zurückholen war nur 1 oder 2x nötig, er kam anschließend auf den ersten Ruf sofort zurück, dies auch bei Hundebegegnungen, Schafen, Pferden, Rehen und Hasen. Nur an den Eichhörnchen und Katzen arbeiten wir noch.

Das Bleiben auf einem vorgegebenen Platz oder Warten, nicht aus dem Auto springen, wurde genauso konsequent umgesetzt. Einmal allein aus dem Auto gesprungen, bekam er eine kleine „Flugstunde“ zurück in die Box. Seither kann der Kofferraumdeckel offenbleiben, er springt nicht raus.

Wenn er auf einem Platz bleiben sollte, wurde er, auch wenn er 10x aufgestanden ist, konsequent und neutral (also ohne ärgerlich zu werden, eher unbeteiligt) wieder dorthin zurückgeführt. Bis er dort blieb. Das kann unfassbar nervig sein, aber das ist es auch für den Hund. Es kommt also darauf an, wer die besseren Nerven / oder den längeren Atem hat.

Hat er Unrat von der Straße gefressen, ging und geht „der Zug drüber“. Meine Sorge, er könnte irgendetwas Giftiges erwischen, ist groß genug, dass ich in dieser Situation Meideverhalten gegenüber vermeintlich Essbarem in Kauf nehme.

Und dann – Festhalten. Für viele Hunde eine echte Zumutung, werden sie doch massiv eingeschränkt. Es gibt viele Zweibeiner, die dann, wenn es dem Hund unangenehm ist – er im besten Fall schreit und strampelt – loslassen. Er will es halt nicht…. Wie bitte? Er will es halt nicht? Ich will auch viele Dinge nicht, muss sie dennoch tun oder darf sie nicht tun. Das nennt sich Frustrationstoleranz und die gilt es zu üben und auszubauen!

Auch bei meinem Kleinen hat es beim ersten Mal 15 Minuten gedauert, bis er runtergefahren und ruhig war. Aber je öfter wir es geübt haben, desto schneller ging es und heute kommt er an die Seite, die Rute geht runter und wir atmen zusammen. – Die Seitstellung ist bei uns neben gelegentlicher kurzer Autoritätsdemonstration – ein Entspannungsritual geworden, die Linux Halt in verunsichernden oder aufregenden Situationen gibt. Ich stecke den Rahmen am Anfang lieber enger und vergrößere ihn, wenn es gut läuft. Nicht andersrum!

Alles lief wunderbar - bis er ca. 7 Monate alt wurde.

Plötzlich konnte er nicht mehr an der Leine gehen, hat wieder alles angesprungen und das Zurückkommen war nicht mehr 100 %, und: „Warten?? – Habe ich noch nie gehört.“

Also wieder zurück auf Los. Wir schoben ihn an der mittlerweile breiteren Brust zurück, wenn er an der Leine zog und er ist wieder an der Schleppleine, damit er nicht beim Rückruf und Abholen lustig um mich herumhüpft, sondern ich ihn zurückholen kann. Wir konnten schnell wieder auf das Gelernte zurückgreifen und selbst bei der dann wirklich einsetzenden Pubertät mit ca. 12 Monaten hatten wir nur eine schlimme Woche. Während dieser Woche tat er uns eigentlich eher leid, weil er derart hormongesteuert war, dass er sich selbst nicht leiden konnte. Er hat entdeckt, dass es andere Rüden gibt und läuft brummend, kommt einer zu nah, um ihn herum – ja, zwischendurch knallt es auch – viel Lärm um nichts und noch mehr Lärm, wenn sie sogar gleich alt sind. Zwei 16-jährige Halbstarke, die sich ausprobieren – und hinterher was trinken gehen. So sind Rüden und das ist kein Weltuntergang, sondern ganz normal.

Derzeit ist relative Ruhe. Relativ deshalb, weil er ein Hund ist, ein Lebewesen und kein Roboter. Gerade testet er wieder: Sitze ich auf dem Fahrrad und rufe ihn, hebt er erst nochmal das Bein, bevor er dann kommt. Das traut er sich nicht, wenn ich zu Fuß unterwegs bin, da ich dann ziemlich schnell bei ihm bin und ihm vermittle, was ich davon halte, dass ich erst an 2. Stelle komme.
Er ist halt ein junger (liebenswerter) Schnösel. Ich bin sicher, auch das bekommen wir noch hin, mit Geduld, Zeit, Ruhe, klarer Kommunikation und viel Konsequenz.

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